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Bericht über Kirche und kirchliches Leben in Neuching

Von Pfarrer Johannes Liehr
(Auszug aus der Festschrift zu 1200-Jahr-Feier „Synode Neuching“ von 1975
Die ganze Festschrift kann man hier noch lesen)

Die katholische Kirche ist das älteste Gebäude Neuthings. Sie ist dem heiligen Martin geweiht. Jeder weiß, Martinskirchen in Bayern sind alte Kirchen. An der Kirche sind nicht nur baugeschichtliche Epochen abzulesen, sondern hier ist auch ein Stück der Geschichte der Pfarrei Neuching eingefangen.

Zunächst einige Gedanken zum Bau der Kirche:

Eine Untersuchung der Kirche zum heiligen Martin, durchgeführt vom Bayerischen Landesdenkmalamt, datiert vom 17. 3. 1965 durch Konservator Herrn W. Haas anlässlich der Restaurierung und Erweiterung der Kirche, zeigt deutlich, dass es sich hier um einen romanischen Tuff-Quaderbau handelt. Er ist zu datieren in die Zeit der Ottonen, Kaiser des 11. Jahrhunderts, so nach dem Bericht des Landesdenkmalamtes. Georg Schindlbeck, Pfarrer von Neuching von 1893-1906, schreibt in einem Aufsatz über Neuching: „Dieser Schloßhügel trug ehedem Tassilos Residenz, ein römisches Kastell mag es gewesen sein, dessen Wachturm wohl vom Presbyterium der jetzigen Pfarrkirche überbaut ist. Meterbreites Mauerwerk aus sauber geschnittenen Tuffsteinen, wie solche in der Grafinger Gegend gewonnen werden, fanden wir vor wenigen Jahren an zwei Stellen innerhalb des Kirchenchores bei gelegentlicher Tiefersetiung des Pflasters.“ Ich frage mich, könnte nicht auch — und sicherlich ist das näherliegend — die Mauern für die Apsis der romanischen Kirche sein?

Im 13. Jahrhundert wurden Backsteinanbauten an dem romanischen Bau vorgenommen. Das Presbyterium wurde umgestaltet. Der Turm wurde errichtet, mit dem Eingang von außen, mittels einer Leiter vom Westen, und das Langhaus im Westen wurde umgestaltet. Das Tympanon ist in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu datieren.

Im Jahre 1343 wurde von dem Geschlecht der Neuchinger eine Stiftung errichtet Eine gotische Annakapelle im Norden wurde an das Langhaus angebaut, als Grabkapelle der Neuchinger mit einer Gruft. Für die Kapellenstiftung wurde ein Benefiziat angestellt, der an drei Tagen jeder Woche in dieser Kapelle für die Stifter die heilige Messe zu feiern hatte. Der Benefiziat wohnte im Wenhardtanwesen, jetzt Pfeiffer, gegenüber vom Sattleranwesen. Am Haus war bis 1974 eine Steintafel angebracht mit der Aufschrift: Benefiziatenhaus. 1866 hat man das Benefiziatenhaus verkauft und das Benefizium mit der Pfarrei commuliert. Das Reliquienglas des Annaaltares, das ich dem Altar entnommen habe, ist als Leihgabe 1965 dem Freisinger Museum auf dem Domberg zur Verfügung gestellt worden. Es handelt sich um ein Noppenglas aus dem 15. Jahrhundert, in dem die Reliquien aufbewahrt waren. Das Siegel des Bischofs ließ sich nicht identifizieren, da es sicherlich ein Wanderbischof war, der der Familie der Neuchinger nahestand, hier weilte und den Altar konsekrierte. Im 15. Jahrhundert wurde auch der Turm höher gezogen und das jetzige Presbyterium — Altarraum mit nach innen gezogenen Pfeilern — errichtet. Der jetzige Aufgang zur Orgelempore wurde als Treppentürmchen neu angebaut.

Im 16. Jahrhundert wurde die Sakristei im Süden angebaut, so dass man von der oberen Sakristei den Blick zur Kirche hatte und den Gottesdienst mitfeiern konnte.

Der Turm wurde im 17. Jahrhundert noch einmal aufgehöht. Er erhielt eine 3. Glockenstube. Im Jahre 1765 erfuhr die gotische Kirche im Zuge der Zeit eine Barockisierung, wobei aber die Bausubstanz nicht verändert wurde. Nur der Eingang wurde von der Nordseite auf die Westseite verlegt und ein Vorhaus angefügt.

Im Zuge der Renovierung und Erweiterung aus seelsorglichen Gründen im Jahre 1966/67 wurde die Gruft der Neuchinger verschlossen, die Annakapelle durch Bögen in den Kirchenraum hineingenommen und auf der Südseite ein Seitenschiff angefügt. Die alte Sakristei wurde eingerissen und eine neue gebaut und unterkellert. Wegen der Errichtung des Seitenschiffes mussten einige Tote umgebettet werden, da dieser Raum Friedhof war. Auch der Friedhof selbst wurde zum Teil, vornehmlich im Osten und Süden, neugestaltet. Bei der Lage der Gräber sind wir von der Ausrichtung der Gräber nach dem Osten abgegangen. Bei der Renovierung wurden in der Kirche die zwei Seitenaltäre herausgenommen und auch die Kanzel entfernt. 6 Apostelmedaillons haben auch keinen Platz mehr gefunden. Ein Altar versus populum wurde errichtet, den unser hochwürdigster Erzbischof Julius Kardinal Döpfner am 5. Mai 1968 konsekrierte. Im Altar sind eingebaut die Reliquien der heiligen Märtyrer Irenäus und Theophila.

Beim Abbruch der südlichen Seitenwand des Langschiffes fanden wir verkohlte Fenster eingemauert. Sicherlich ist die Kirche einmal abgebrannt, jedoch ist die Jahrhundertzahl nicht festzustellen. Vielleicht ist auch erwähnenswert, dass die alte Kirche keinen ebenen Fußboden hatte, sondern der Fußboden nach hinten anstieg, so dass eine bühnenartige Sicht entstand. Dieser Umstand ist in Kirchen ungewöhnlich. Fachleute wollen daraus schließen, dass dieser Umstand auf eine Königskapelle vermuten läßt, wo der Herrscher im rückwärtigen Teil einer erhöhten Bühne dem Geschehen im Gotteshaus besser folgen kann. In der Gruft, die nun zugemauert ist, fanden wir Skelette, Sargteile, Gürtel mit Schließen, Lederschuhe für Männer und Frauen. Von einem unterirdischen Gang kann keine Rede sein.

Nun einige Gedanken zur Pfarrei und Pfarrhaus:

Der Schematismus der Erzdiözese München-Freising nennt für Neuching wie für viele andere Pfarreien das Jahr 1315 als Errichtung der Pfarrei. Ich habe in der Registratur die ununterbrochene Reihenfolge der Pfarrer ab dem Jahre 1406 gefunden. Die Namen dieser Pfarrer stehen nun auf der Rundsäule des Priestergrabes. Die Matrikelbücher, die Taufe Heirat und Beerdigung beinhalten, gehen in dieser Pfarrei bis zum 30jährigen Krieg, etwa 1640, zurück. Offenbar ist der Pfarrhof im 30jährigen Krieg durch die Schweden abgebrannt worden. Aus älterer Zeit sind nur einige Briefe mit Siegelverschluß erhalten, alle In lateinischer Sprache.

Nach einem ganz alten Bilde im Pfarrhof war der ganz alte Pfarrhof an der Kirche, wo jetzt der Vorplatz, Kirchplatz ist. Der jetzige alte Pfarrhof, erbaut 1772, ist 1965 an die politische Gemeinde verkauft worden und gleich daneben ist ein neuer Pfarrhof mit Pfarrheim entstanden.

Der große Garten um den Pfarrhof findet auch eine Erklärung darin, dass zum Pfarrhof ca. 100 Tagwerk Land gehören. Dieses Land wurde bis 1907 durch den Pfarrer selbst bewirtschaftet. Die Ökonomiegebäude sind 1907 abgebrochen worden.

Die alten Akten sind voll von ständigen Reparaturen an Turm, Kirche und Friedhofsmauer. Überdies an der Friedhofsmauer befand sich ein Gebeinhaus, dessen Hohlraum beim Gräberöffnen noch heute festgestellt werden kann. Die Friedhofsmauer nach Westen wurde 1963 durch eine Betonmauer ersetzt.

Es mag vielleicht den einen oder anderen noch interessieren, dass die schöne Martinsgruppe aus dem Jahre 1630, von einem lothringischen Schnitzer in Landshut geschaffen, als Patron immer auf dem Hochaltar bis 1921 stand. Sie wurde dort ersetzt von einer Rosenkranzmadonna. Im Jahre 1928 wurde sie als Leihgabe in das neu errichtete Kriegergedächtnismal gegeben, von wo sie 1967 nach der Restaurierung der Kirche wieder in die Kirche zurückgekehrt ist. In das Kriegergedächtnis-mal stellte die Pfarrgemeinde als Leihgabe eine Holzplastik, den gegeißelten Heiland, hinein.

Das Deckengewölbe der Martinskirche aus dem Jahre 1756 bringt zwei Gedanken zum Tragen. Sieben Bilder im Presbyterium sprechen vom Leben und Wirken des heiligen Martin. 15 Bilder im Langhaus stellen die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes dar. In dieser Pfarrei gibt es bis heute eine Rosenkranzbruderschaft, die gegenwärtig ca. 80 Mitglieder hat. Diese Rosenkranzbruderschaft wurde im Jahre 1629 errichtet. Sie hat ständig bestanden mit verschiedener Lebendigkeit. 1730 wurde sie kanonisch errichtet.

In der Registratur habe ich auch mehrere Bücher des Armenpfleg schaftsrats gefunden. Unter dem Vorsitz des jeweiligen Pfarrers bestand ein Rat aus mehreren Männern, die sich um die Armen kümmerten. Ich lese von Pflegekosten von Kindern, von Alimentation bestimmter bedürftiger Personen, Unterstützung von ledigen Müttern usw. War das nicht eine soziale Arbeit, die die Kirche geleistet hat, indem sie sich gerade denen zuwandte, die es nötig hatten? Die Kirche unterhielt eine eigene Armenkasse, um in Not geratenen Menschen helfen zu können. Wollen wir das heute noch wahrhaben?

Die Pfarrei besitzt drei Familienbücher. Das älteste ist im Jahre 1820 begonnen worden. Hier werden die Familien geführt. Die Hausnummern sind inzwischen dreimal geändert worden. Überdies hat das Familienbuch und andere Pfarrbücher die Aufschrift: Neuching und nicht Pfarrei Oberneuching. Im Jahre 1820 hatte die Pfarrei 112 Häuser in Ober- und Niederneuching. Diese bestand aus folgenden Weilern:

Oberneuching:           50 Häuser                   239 Seelen
Eder am Holz             1 Haus                         5 Seelen
Harlachen                   6 Häuser                     24 Seelen
Hofsinglding               1 Haus                         13 Seelen
Holzhausen                4 Häuser                     24 Seelen
Lausbach                    4 Häuser                     21 Seelen
Mooshäusl                  1 Haus                         2 Seelen
Sollnberg                    1 Haus                         6 Seelen
Stockach                     1 Haus                         5 Seelen
Niederneuching         31 Häuser                   162 Seelen
Burgholz                     1 Haus                         5 Seelen
Eberhard                     1 Haus                         3 Seelen
Moosinning                 2 Häuser                     3 Seelen
Riexing                        7 Häuser                     29 Seelen
Stegmair                      1 Haus                         4 Seelen

Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, dass die Pfarrei 1820 545 Seelen hatte. Auch war die Pfarrei Oberneuching eine Monatspfarrei, „auf welcher abwechslungsweise „alternis mensibus“ dem Landesherrn und dem Ordinariat das Verleihungsrecht gebühret“.

Aus dem Jahre 1817 schreibt der Pfarrer Josef Giesel von Neuching, wie sich sein Einkommen zusammensetzt: aus Widdum, Zehent, Stiftungen und Stohlgebühren. Im Jahre 1917 werden auch die Nachbarpfarreien aufgeführt: Aufkirchen, Altenerding, Wifling, Forstinning und Finsing.

Der Deutinger aus dem Jahre 1849 weist zur Pfarrkirche Oberneuching, Dekanat Markt Schwaben, zwei Filialkirchen auf, die Kirche St. Johannes bapt. in Niederneuching und die Filialkirche der allerseligsten Jungfrau in Hoff-Singolding. Letztere besteht nicht mehr.

Im Jahre 1795 wurde die Kirche St. Johannes in Niederneuching neu erstellt; außer der Sakristei, die noch aus der gotischen Zeit stammt. Sicher reicht die alte Kirche in die erste christliche Zeit zurück als Täuferkirche. Nur sind die mir bekannten Unterlagen so spärlich, dass ich keine gültigen Aussagen machen kann. Als unser hochwürdigster Herr Kardinal diese Kirche besichtigt hat, war er ganz überrascht, eine so schöne Kirche vorzufinden. Ihm fiel sofort auf, dass der Stadtpatron von München, der heilige Benno in dieser Kirche auch verehrt wird. 1806 ist diese Kirche neu konsekriert worden. In den letzten 10 Jahren ist das Kirchendach erneuert worden, der Turm wurde neu geputzt und hat ein neues Gewand bekommen, die Sakristei wurde erweitert und trockengelegt, die Treppe zur Empore erneuert, im Altarraum neues Pflaster gelegt, Bankheizung eingebaut, das Geläute elektrifiziert, ein neues Portal geschaffen, im kirchlichen Friedhof um die Kirche ein Steinpflaster gelegt, und andere notwendige Dinge besorgt. Ein Gotteshaus braucht die ständige Sorge und Pflege, wenn es im Wesentlichen in Ordnung sein soll. Pfarrer Krause hat 1959 die Kirche innen restaurieren lassen. So geht die Sorge einer Gemeinde für ihr Gotteshaus nicht aus. Darin drückt sich auch die Freude an Gott in einer Gemeinde aus, wenn sie ihr Gotteshaus in Ordnung hält, so dass jeder gern darin weilt.

Unsere beiden Dörfer sind so gebaut, dass die Menschen um die beiden Gotteshäuser sich ansässig gemacht haben, so dass der Herr die Mitte des Ortes ist. Ist er auch die Mitte unseres Lebens? Lassen Sie mich bei solchen Gedanken auch herzlich danken für das große Interesse an den beiden Gotteshäusern, für Mithilfe und Sorge, vor allem aber für das Empfinden und den tätigen Glauben: Hier bin ich geborgen, hier bin ich zu Hause beim himmlischen Vater, denn hier opfert sich Christus und hier opfert sich der Christ!

Das religiöse Leben der Jetztzeit:

Das ständige Reparieren und Erneuern an den Gotteshäusern hat auch auf das religiöse Leben selbst großen Einfluss gehabt.

Unsere beiden Kirchen zeichnen sich aus durch innere Wärme und durch den gemeinschaftsbildenden Kirchenraum. Der Gläubige wird in das liturgische Geschehen hineingenommen und so in das Leben des Herrn und erlebt, dass er selbst gemeint ist. So meine ich, vollzieht sich auch unser Leben um und mit dem Herrn. Gegenwärtig existieren an kirchlichen Organisationen: eine Landjugendgruppe von ca. 25 Mitgliedern, eine Frauengemeinschaft von ca. 80 Mitgliedern, eine Maria-nische Männerkongregation von 12 Personen, ein Lektoren-Bibelkreis von 10 Personen, ein Pfarrgemeinderat mit 12 Mitgliedern, zwei Kirchenchöre und eine Rosenkranzbruderschaft.

Die Pfarrei hat zurzeit 1380 Seelen. Ihr Raum deckt sich fast mit der politischen Gemeinde. Fürs Ganze gesehen ist die Gemeinde lebendig und verdient großes Lob.

Mein Wunsch wäre es, wie vor 1200 Jahren Impulse von Neuching ausgegangen sind, heidnische Bräuche verdrängt wurden, so möge Neuching heute eine christliche Bastion sein, wo der Mensch geschätzt und geachtet ist und christliches Leben sich verwirklicht.

Pfarrer in Neuching

Eberhard, Kirchherr und
Dechant zu Neuching             1406
Johann Puchelrieder               1444-1476
Wolfgang Hintmair                   1476-1507
Kaspar Rasp                             1512-1524
Christoph Rasp                        1554-1560
Johann Ostler                           1581
Christoph Ostler                       1584-1592
Dionys Zehtmair                       1593-1600
Georg Sprunghmair                1600-1609
Barth. Päll                                 1619-1649
Johann Christoph Bader        1649-1656
Thomas Engelbrecht               1656-1661
Simon Soyer                             1661-1678
Martin Hueber                          1678-1683
Andreas Sartor                         1683-1718
Johann Georg Hilmer              1718-1755
Gaudens Ignatz Gabler           1755-1763
Johann Ignatz Mayer               1763-1779
Anton Piller                               1779-1780
Feix Krapf                                  1780-1789
Franz Seb. Vilgertshofer        1789-1791
Franz H. Rieg                           1791-1813
Josef Giesel                              1813-1835
Alois Wagner                            1835-1840
Max Schindler                          1840-1844
Joh. Ev. Mändl                         1844-1855
Johann Huber                          1855-1873
Joh. Bapt. Bräu                        1874-1883
Joh. Ev. Wenninger                1884-1893
Georg Schindlbeck                  1893-1906
Jos. Riedmair                           1906-1911
Joh. Ev. Zotz                             1911-1916
Joh. Ev. Hintermair                  1916-1930
Erhardt Nirschl                         1930-1935
Georg Weiß                              1935-1956
Karl Krause                               1956-1961
Johannes Liehr                        1962-1992
??                                                1992 – 1999
Josef Keilhacker                      1999 – 2002
Guy-Angelo Kangoosa           2002  – 2006 
Zirkelbach                                 2006 – 2010
Pater Pius Thometzek             2010 – 2013
Franz Gasteiger                       2013 – 2018

Die Pfarrei Neuchig gehört seit 2018 zum
Pfarrverband St. Anna im Moosrain

 

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