„Wir sind die Kirche – nicht der Papst“
Klare Worte von Altbürgermeister Peis beim Neujahrsempfang
Kein Gottesdienst
Großer Aufruhr beim Neuchinger Neujahrsempfang: Zahlreiche Gläubige hatten sich um 10.30 Uhr vor der Pfarrkirche St. Martin Oberneuching versammelt, um dort zuerst eine Messe zu feiern. Doch das Gotteshaus blieb zu. Pfarrer Michael Bayer hatte aufgrund der Unwetterwarnung die Messe abgesagt. Mesnerin Steffi Kressirer wollte stattdessen einen Wortgottesdienst abhalten, doch Bayer hatte verboten, die Kirche aufzuschließen.
So lud Pfarrgemeinderatsvorsitzender Max Wittmann gleich zum Empfang in den Pfarrsaal. „Jeder ist hier auf eigene Gefahr“, betonte Wittmann, nicht ohne sich ein Schmunzeln verkneifen zu können.
Die Entscheidung Bayers stieß bei vielen Gästen auf Unverständnis. Denn viele Gäste waren es trotzdem, die zum Empfang kamen. Die Straßen in der Gemeinde waren geräumt, es regnete lediglich bei Plusgraden. Der Pfarrgemeinderat hatte schnell reagiert. Kressirer, Rosemarie Bogner und Helene Schindlbeck gestalteten im Pfarrsaal eine Andacht, musikalisch umrahmt von Veronika Schindlbeck.
Das Motto der Sternsinger, die noch in Zivil ebenfalls geladen waren, lautete „Erhebt eure Stimme! Sternsingen für Kinderrechte“. Dieses Thema griff Kressirer auch auf. „Uns geht’s gut. Wir haben Kinderrechte. Es gibt aber auch Menschen, denen es nicht so gut geht. Und an diese wollen wir denken“, so die junge Mesnerin.
Vaterunser für Franz Gasteiger
Bei den Fürbitten wurde an benachteiligte Kinder auf der ganzen Welt gedacht. Ein besonders berührendes Vaterunser gab es zudem für Franz Gasteiger. Der Geistliche hatte sich vor genau einem Jahr schwerste Verbrennungen bei einem Christbaumbrand zugezogen und war wenige Tage später gestorben (wir berichteten). Den Segen sprachen dann „unsere besonderen Gäste, die Könige“ aus, so Kressirer. Die Sternsinger-Kinder durften am Mittag sowie am Dreikönigstag durch die Gemeinde ziehen.
„Heute geht es relativ schnell. Ihr habt also viel Zeit zum Ratschen“, meinte Wittmann in seiner Ansprache. „Es gibt halt diese Warnung“, meinte er zur Wetterlage. „Aber die Leute, die kommen, kommen sowieso“, sagte er, beendete damit das Thema und wechselte zum Einsatz im Ehrenamt. „Dabei bleiben, sichtbar bleiben. Das ist wichtig. Sonst geht die Gemeinschaft verloren“, ist er überzeugt. Aus dem Nachlass Gasteigers bekam Wittmann das Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“ von Autor Hans Küng. Viele Passagen hätten ihn hier auch zum Nachdenken gebracht. Doch Wittmanns zentrale Botschaft lautete „glaubwürdig für die Menschen da zu sein und nicht, ob wir in bürokratischer Weise alles richtig machen“.
Weder Kirchenvertreter noch Bürgermeister Thomas Bartl waren beim Empfang anwesend. Dafür sprach Altbürgermeister Hans Peis klare Worte: „Wir sind die Kirche. Das ist entscheidend. Und nicht der Papst, der Bischof oder sonst jemand. Ein Riesenkompliment und Dankeschön, dass ihr den Neujahrsempfang gemacht habt. Ziel muss es sein, gemeinsam etwas zu schaffen“, so Peis und wünschte sich fürs neue Jahr, dass der Krieg in der Ukraine endlich vorbei sei.
DANIELA OLDACH im Erdinger Anzeiger vom 8. Januar 2025